27.11.2024, Blog

St.Galler Schulen erlauben KI für Abschlussarbeiten – beim Umgang damit erhalten sie wenig Hilfestellung vom Kanton

KI-Textgeneratoren wie ChatGPT bieten sich für Schülerinnen und Schüler als Hilfsmittel an, um eine Schlussarbeit effizienter zu produzieren. Die St.Galler Berufsfach- und Kantonsschulen müssen Fragen dazu zeitnah beantworten. Die kantonalen Ämter bieten bislang wenig Orientierung.

Die Nutzung künstlicher Intelligenz KI gehört heute zum schulischen Alltag. Der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer LCH schreibt in einem aktuellen Positionspapier, es bedürfe einer reflektierten und massvollen Integration. Auch an den St.Galler Berufsfach- und Kantonsschulen werden KI-Programme eingesetzt. Judith Mark, Rektorin der Kantonsschule Heerbrugg, sagt: «Schülerinnen und Schüler sollen sich mit den Vor- und Nachteilen der künstlichen Intelligenz auseinandersetzen, damit sie für die Zukunft gerüstet sind.» Michael Lütolf, Rektor an der Kantonsschule am Burggraben, erklärt, man habe Unterlagen für die Lehrpersonen erarbeitet, die aufzeigten, wie diese die Schülerinnen und Schüler für den reflektierten Umgang mit KI sensibilisieren.

Doch nicht immer deklarieren Schülerinnen und Schüler die Verwendung von KI. In Bezug auf die Erstellung einer für die Qualifikation relevanten Abschlussarbeit ergeben sich daraus zwangsläufig Probleme hinsichtlich Eigenständigkeit und Beurteilung. St.Galler Berufsfach- und Kantonsschulen haben Lösungen gefunden.

KI soll genutzt, aber auch deklariert werden

Die Rektorinnen und Rektoren im Kanton St.Gallen sind sich weitgehend einig: Die Lehrpersonen wissen, wie ihre Schülerinnen und Schüler schreiben, und können feststellen, wann sie Texte nicht selbst verfassen. Rolf Grunauer, Rektor des Berufs- und Weiterbildungszentrums Rorschach-Rheintal, ergänzt: «Es gibt bestimmt Lernende, die KI-Tools nutzen, ohne dies zu deklarieren. Bei einigen fällt dies sehr deutlich auf. Andere sind da aber schon ziemlich versiert.» Tom Kuster, Rektor des Berufs- und Weiterbildungszentrums für Gesundheit und Soziales BZGS in St.Gallen und Rheineck, hat dafür eine Lösung: «Es können neu erstellte Textabschnitte wöchentlich abgespeichert und so protokolliert werden.»

Einig sind sich die Schulen auch darin, dass KI-generierte Recherche-Ergebnisse für Abschlussarbeiten genutzt werden sollen. Sie fordern aber, dass dies transparent gemacht wird. Die meisten Schulen verweisen auf die übliche Deklarationspflicht im Quellenverzeichnis, inklusive der sogenannten «Prompts», die an die KI gerichteten Anfragen. Die Kantonsschule Wil verlangt zusätzlich Screenshots der Prompts samt Antworten.

Arbeitsaufträge und Bewertungen werden angepasst

Doch auch mit präventiven Massnahmen lässt sich einiges vorwegnehmen. So macht das BZGS gute Erfahrungen damit, die Lernenden bei den für die weitere Erarbeitung der Schlussarbeit wichtigen Zielformulierungen einzuschränken, damit viel Eigenleistung unumgänglich wird. Auch Peter Keller, Prorektor am Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs, meint, entscheidend sei, dass die Aufgabenstellung so angepasst wird, dass die KI möglichst bedeutungslos für das Ergebnis ist.

Auf die Benotung wirkt sich das Thema KI ebenfalls aus. An der Kantonsschule Wil ist dieser Tage eine Arbeitsgruppe damit beschäftigt, die Beurteilung der Maturaarbeit zu überarbeiten. An der Kantonsschule Heerbrugg liegt es im Ermessen der betreuenden Lehrperson, Vorgaben zum Umfang der Nutzung von KI zu formulieren und dies in die Bewertung miteinzubeziehen. Am BZGS ist man konkreter: Grösstes Gewicht bei der Bewertung hat nun die Präsentation der Schlussarbeit samt Beantwortung der Anschlussfragen.

Ein grosses Problem ist und bleibt, dass konventionelle Programme, die Plagiate aufdecken, an KI-Texten scheitern. Die Kantonsschule am Burggraben sucht schon länger nach einer Software, die auch das kann. Hermann Landolt, Leiter des Fachbereichs «Neues Lehren und Lernen» am BZR, bestätigt: «Es stehen derzeit keine verlässlichen Programme zur Verfügung. Und somit ist der Nachweis, dass künstliche Intelligenz Texte erstellt hat, sehr schwierig zu erbringen.»

Wenig Führung durch die Ämter

Weder das Amt für Mittelschulen noch das Amt für Berufsschulen machen konkrete Vorgaben zur Nutzung von KI in Unterricht und Schlussarbeiten. Tina Cassidy, Leiterin des Amtes für Mittelschulen des Kantons St.Gallen, erklärt, dass die sogenannte Rektorenkonferenz zuständig sei. «Das Thema ‹KI› ist dort regelmässig traktandiert und es gibt eine Arbeitsgruppe. Derzeit werden an den sechs Kantonsschulen unterschiedliche Modelle getestet, die laufend angepasst werden müssen», so Cassidy. Wichtig sei der Austausch unter den Schulen, ergänzt sie.

Auch unter den Berufsfachschulen tausche man sich regelmässig aus, um der raschen Entwicklung standzuhalten, so Samuel Heim, Berufsschulberater im Amt für Berufsbildung des Kantons St.Gallen. Das Amt arbeite in der Sache eng mit den Schulen zusammen und es würden Synergien mit anderen Institutionen und Kantonen genutzt. Für eine einheitliche und übergeordnete Lösung sehe er zahlreiche potenzielle Hürden. Heim führt aus, dass der technologische Wandel rasant voranschreite und auch die Bedürfnisse der acht Berufsfachschulen und verschiedenen Berufsgruppen sich dynamisch weiterentwickelten.

Der Lehrerverband LCH schliesst das eingangs zitierte Positionspapier mit der Forderung nach mehr Forschung und nach einem Monitoring. Doch das sind auf die weitere Zukunft ausgerichtete Massnahmen. Schulen müssen schon heute verbindliche Lösungen finden und diese laufend anpassen – eine weitere, anspruchsvolle Aufgabe.

Thurgauer Zeitung, Christian Arnold