24.08.2024, Fahrzeugschlosser/in EFZ, Blog

Fahrzeugschlosser-Lehrlinge unterstützen Dampflok-Verein und stärken nebenbei ihren Klassengeist – die Idee dazu hatte ihr Lehrer

Der Verein Eurovapor kümmert sich in Sulgen um historische Dampflokomotiven und Bahnwagen. Während dreier Tage unterstützen angehende Fahrzeugschlosser vom Berufsbildungszentrum Rorschach den Verein mit ihrer Arbeitskraft. Den Beruf wählen immer weniger Jugendliche.

Bei der Lokremise Sulgen fliegen an diesem Donnerstagmorgen die Funken. Vor der Kulisse historischer Bahnwagen kniet Silas am Boden und verschweisst zwei Metallblöcke, sein Kollege Fabio hockt daneben und beobachtet. Die Gesichter der beiden sind hinter roboterhaften Schweissschildern verborgen, in Reichweite stehen zwei Red-Bull-Dosen.

Fabio und Silas sind angehende Fahrzeugschlosser am Berufsbildungszentrum Rorschach und seit kurzem in ihrem vierten und letzten Lehrjahr. Gemeinsam mit ihren Klassenkameraden helfen sie dem Verein Eurovapor in Sulgen während dreier Tage aus.

Der Verein will historische Schienenfahrzeuge erhalten. Hans Fuchs, technischer Leiter bei Eurovapor, ist froh um die Unterstützung der Lehrlinge. «Für sie ist es eine schöne Abwechslung, für uns eine echte Hilfe.»

Er und andere Freiwillige nehmen sich jeden Samstag Zeit, um die Bahnwagen und Dampfloks wieder instand zu stellen. Wenn gleich sieben fähige Leute an drei Tagen da seien, komme man ein gutes Stück vorwärts. Normalerweise fertigen die angehenden Fahrzeugschlosserinnen und -schlosser Anhänger und Aufbauten aus Metall oder Aluminium für Last- oder Lieferwagen an.

Nebeneffekt ist ein stärkerer Klassengeist

Berufsschullehrer Peter Kaufmann führt den Arbeitseinsatz mit seiner Klasse seit über zehn Jahren jeweils kurz nach den Sommerferien durch. Anfangs sei die Schulleitung der Idee skeptisch gegenübergestanden und habe Sicherheitsbedenken gehabt. «Mittlerweile wird das Angebot sehr geschätzt, und ich habe sogar einmal einen Dankesbrief von Regierungsrat Stefan Kölliker erhalten», sagt Kaufmann.

Er unterrichtet in Rorschach seit 2008 angehende Fahrzeugschlosserinnen und Fahrzeugschlosser in Berufskunde. Bereits seine Schüler im zweiten Lehrjahr würden ihn jeweils fragen, ob er mit ihnen auch den Arbeitseinsatz in Sulgen durchführe. «Ihre Oberstifte, die es lässig gefunden haben, erzählen ihnen davon», sagt Kaufmann.

Die Lehrlinge erledigen an diesem Morgen verschiedene Aufgaben für den Verein: Zwei fertigen Trittstufen an, andere stellen Gitter her. «Sie müssen zusammenarbeiten, Skizzen lesen und die bestmöglichen Lösungen finden», sagt Kaufmann. Doch es gehe auch um Teambildung für die Klasse. «Die Lehrlinge lernen sich so besser kennen. Sonst sehen sie sich nur einmal in der Woche.»

Ein Rheintaler und ein Appenzeller freundeten sich in Sulgen an

Die Lernenden sind von Donnerstag bis Samstag in Sulgen im Einsatz. Der Donnerstag ist normalerweise ihr Schultag, am Freitag bekommen sie von ihren Lehrbetrieben frei, am Samstag opfern sie ihre Freizeit. Die jungen Berufsleute kommen aus Graubünden, St.Gallen, Appenzell und dem Thurgau. Während der drei Tage in Sulgen übernachten manche auf dem Eurovapor-Gelände. «Es sind schon Lehrlinge mit einem Wohnwagen oder einem Lieferwagen mit Doppelbett und Fernseher drin angereist», sagt Kaufmann.

Wie der Arbeitseinsatz den Klassengeist stärken kann, schildert der Lehrer anhand einer Anekdote. Zwei seiner Schüler seien wie Katz und Maus gewesen, der eine ein Appenzeller, der andere ein Rheintaler. «Sie haben sich in der Berufsschule immer gezankt.» In Sulgen hätten sie dann eine Gemeinsamkeit entdeckt: «Der eine hat sein Schwyzerörgeli mitgebracht, der andere ein Zäuerli gesungen. Von da an waren die zwei befreundet.»

Fahrzeugschlosser sind gesucht

Momentan unterrichtet Kaufmann in Rorschach vier Klassen mit je acht bis zehn Schülerinnen und Schülern. «Es könnten mehr sein», sagt er. Fachkräftemangel ist auch bei Firmen, die Fahrzeugschlosserinnen und -schlosser ausbilden, ein Thema. Für die Betriebe sei es schwierig, geeignete Lehrlinge zu finden, sagt Kaufmann. «Für den Job braucht es handwerkliches Geschick und etwas im Kopf.» Schulisch müssten die Lehrlinge aber nicht zwingend Überflieger sein, viele kämen aus der Realschule und könnten die Lehre gut meistern.

Danach gefragt, warum sie sich für diesen Beruf entschieden haben, denken die Lernenden ein paar Sekunden nach. «Mein Vater hat schon mit Metall gearbeitet», sagt einer. «Mir gefällt das handwerkliche Arbeiten mit Fahrzeugen», sagt ein anderer.

Ihr handwerkliches Geschick beweisen Kaufmanns Schützlinge an diesem Morgen. Silas und Fabio lassen mit Schweissen und Flexen noch immer die Funken fliegen. Sie fertigen zwei Böcke aus Metall, auf denen später ein Bahnwagen platziert werden kann. Die Arbeit mache Spass, «es ist mal etwas anderes».

Um halb 11 gibt es eine erste Pause, einen Büezer-Znüni mit Salami und Brot. Essen und Material sponsert der Eurovapor-Verein. Mit schon halbschwarzen Fingern langen die sieben Lernenden beherzt zu. Arbeit macht hungrig. «Sie sind motiviert und wollen arbeiten», sagt Kaufmann. Die Jugendlichen schmunzeln, nicken und klopfen Sprüche. Zum Beispiel: «Wir haben auf jeden Fall keinen Eisenmangel.»

Judith Schönenberger, SG Tagblatt
Bilder: Benjamin Manser